Wieder ist ein Jahr vorbei. Nein kein Jahreswechsel, meine Zeitrechnung ist seit drei Jahren anders.
Seit dem 11. September ist dein Opa Kurt nun auch bei dir. Ich weiß, du hast ihn gut empfangen. Um Oma Hilde werde ich mich kümmern, soweit es die Kraft zulässt.
Das Wissen, dass du nicht mehr zurückkommen kannst, ist präsenter geworden, aber du bist jeden Tag in meinen Gedanken. Irgendetwas erinnert immer an dich, das Licht in der Kirche in Barcelona, süß saure Eier zum Mittag, Nugat im Regal, deine selbst geschriebenen Geschichten. Ich bin traurig. Wo würdest du heute stehen? Hättest du Arbeit, die dich erfüllt? Ich denke so oft in letzter Zeit, spätestens jetzt hättest du – du mit dem großen Gerechtigkeitssinn – einen Job im Bereich der Flüchtlingshilfe gefunden.
In diesen Novembertagen sind die Gedanken, die schönen Erinnerungen, meine Kämpfe mit dir und besonderes die Zeit nach dem Unglück wieder so zugegen – kaum auszuhalten. Aber die letzten drei Jahre haben gelehrt – ich kann es überleben. Es gibt Freunde, Bekannte, Kollegen an meiner Seite die auch heute noch nach dir fragen, sich erinnern, meine Schmerzen verstehen oder wenigstens akzeptieren. Dafür bin ich dankbar.
Ich werde diesen Tag, den 4. November 2015, nicht allein in Gedenken und in Gedanken an dich verbringen. Ich werde nicht allein Fotos und Videos anschauen und eine Kerze für dich anzünden. So wie unsere Familie, Papa, dein Bruder und ich, werden sicher noch viele andere den Tag und die nächsten Tages des Jahres in Liebe an dich denken.
Deine Mama